Berlin am Donnerstag, den 09.05.2024
National

Interview mit Tobias Meyer (Kiriat Gat)

Wir verabreden uns mit Tobias Meyer, Manager von Meccabi Kiriat Gat, auf dem Vereinsgelände seines Verein. Die Spieler trainieren im Hintergrund und Meyers Co-Trainer übernimmt, während Meyer auf mich zuschlendert uns ins Vereinsheim bittet. An einem offensichtlich neu installierten Tresen bietet Meyer mir ein kühles Blondes an, aber ich nehme dann doch lieber einen Kaffee. Meyer selbst, ganz Vorbild für die Spieler, nimmt sich eine Apfelschorle.

Das Original-Interview wurde von Robert Gasteiger in der Haaretz gedruckt.

Als wir mit dem Interview beginnen ist lediglich die Servicekraft im Schankraum. Aber sie interessiert sich nicht für uns, sondern beäugt das Training durch ein Fenster.


Haaretz: Herr Meyer, erstmal muss ich Ihnen noch zum Aufstieg gratulieren, auch wenn das ja schon ein paar Monate hinter Ihnen liegt. Wie waren die Aufstiegsfeierlichkeiten?

Meyer: Hallo Herr Gasteigermann. Zunächst einmal freue ich mich darüber, dass Sie den weiten Weg auf sich genommen haben. So bleibt mir diese Strapaze erspart. Aber auch vielen Dank für die Gratulation. Wir konnten uns ja schon länger darauf vorbereiten. Es wurde erst eine Feier "im kleinen Kreise" mit Spielern und Angehörigen organisiert, bevor die Fans die Gelegenheit hatten, ihre Helden auf dem Kiriat Gater Marktplatz ausgiebig zu feiern. Der ein oder andere lief dennoch etwas wehmütig herum, denn jedem war klar, dass das Team durchaus verstärkt werden muss für die Mission "Klassenerhalt".

Haaretz: Und dann haben sie über den Sommer das Team umgekrempelt. Einigen der Aufstiegshelden wurde der Laufpass erteilt und dafür kamen nicht immer ganz frische, aber erfahrene Spieler zum Kader. Nach welchen Kritierien haben sie da gehandelt?

Meyer: Wichtig war zum einen, natürlich, dass der Spieler stärker ist um uns sofort weiterzuhelfen. Außerdem spielte selbstverständlich auch die Finanzierbarkeit eine Rolle. Kaufen bis das Konto leer ist, liegt nicht im Intersse das Vereins. Da auf zahlreiche Leihanfragen (bis auf Filer) nicht oder ablehnend geantwortet wurde, musste ich reagieren und bin auf der Transferliste nach und nach fündig geworden.

Haaretz: Vorerst zeigen ihre Maßnahmen Wirkung, wie man sehen kann. Nach zehn Spieltagen steht ihre Mannschaft im Mittelfeld der Liga. Ja, sie haben sogar den Doublesieger des Vorjahres, Hepoel Haifa, im heimischen Stadion geschlagen. Haben sie sich damit selbst überrascht, oder hatten sie sowas erwartet?

Meyer: Teils, teils. Denn ich wusste, dass Haifa in der darauffolgenden Woche im AOFA-Cup antreten durfte. Dies hatte dann zu der Überlegung geführt, mit Bestbesetzung aufzulaufen. Dennoch sehe ich diesen Dreier lediglich als Bonus. Denn gegen zwei direkte Abstiegskonkurrenten haben wir 4 Punkte verschenkt.

Haaretz: Kommen wir nochmal auf den Kader. Im Tor mussten sie umbauen, da Philippe Testa jetzt wieder in Frankreich spielt. Aber auch Catalin Isec wurde vor die Tür gesetzt. Stattdessen finden sich jetzt mit Loberda und Kovalenko zwei Spieler im Tor, die die 30 weit überschritten haben.

Meyer: Testa hätten wir gerne behalten, aber die Ablöse wäre mit Sicherheit zu hoch gewesen. Isec durfte gehen aufgrund seiner Stagnation. Bei ihm war keine Verbesserung erkennbar. Kovalenko wurde bewusst als Nr.2 geholt, Loberda hat sich zum Glück ebenfalls für uns entschieden. Beide bringen sich voll ein und wir sind überzeugt, dass sie auch gerade aufgrund ihrer Erfahrung ein wichtiger Rückhalt für das Team sind.

Haaretz: In der Abwehr vertrauen sie weiterhin auf die erfolgreichen Spieler der Zweitligajahre, die immerhin die beste Abwehr in der letztjährigen Leumit stellten. Darf man hier noch Änderungen erwarten, oder dürfen sich Leute wie Shakel und Wladimir entwickeln?

Meyer: Eine Änderung gab es denn doch. Mit dem Libero Paul Filer haben wir eine starke Alternative im Abwehrverbund ausgeliehen, der sich bei uns hoffentlich positiv entwickeln wird. Gleiches gilt auch für die von Ihnen genannten Manndecker. Sie werden weiterhin gefördert und eingesetzt. Nicht zuletzt aufgrund der 11-wöchigen Verletzung von Nir Hershon. Aber auch nach dessen Genesung kommen die beiden nicht zu kurz.

Haaretz: Wenn man nach ihren Transfers gehen kann, dann waren sie mit der rechten Seite im Mittelfeld unzufrieden, ist das so? Gleich drei neue Spieler keilen sich da mit dem in der Leumit gesetzten Attoa und dem jungen Zum Stein. Konkurrenz belebt das Geschäft - kann man das so sagen?

Meyer: Vor allen Dingen wird dadurch unser Kader in der Breite wie in der Spitze besser aufgestellt. Wobei die ursprüngliche Kaderplanung Mitte August eigentlich abgeschlossen war. Layton sollte uns verstärken und Kuvacevic ergänzen. Als dann aber noch Marinos Sechas auf der Transferliste auftauchte, konnte ich nicht widerstehen. Obwohl die Kalkulation keinen Spielraum für diesen Transfer vorgesehen hat. Deshalb musste dann unser ZM-Talent Conze-conzenau den Verein verlassen.

Haaretz: Im Sturm kommt der Star ihres Teams - Mladen Bolokapic. Er schlug auch in der Ligat Al ein wie eine Bombe. Doch nun hat er seit nunmehr vier Spielen das Tor nicht mehr getroffen - Ladehemmungen?

Meyer: Ja, es scheint so. Aber da muss ich das gesamte Team etwas in die Kritik nehmen. Wenn man so einen hervorragenden Stürmer in seinen Reihen hat, muss er auch öfter in Szene gesetzt werden. Das passiert momentan zu selten. Aber das sind Dinge, die brauchen nach so vielen Kaderveränderungen einfach auch ihre Zeit. Es zeigt allerdings auch die Qualität der Mannschaft, dass eben andere einspringen und die Tore erzielen.

Haaretz: Hinter ihren drei Stammstürmern haben sie noch drei blutjunge Talente, die aber noch nicht erstligareif sind. Haben sie die Befürchtung, daß diese sich nach neuen Arbeitgebern umsehen, wo sie öfter spielen?

Meyer: Nein, definitiv nicht. Adler ist ja erst 17 und leider noch nicht spielberechtigt. Mit Lencinski und Ussishkinhaben wir zwei Stürmer, die bereits je 4 Spiele absolviert und jeweils einmal getroffen haben. Ich muss ihnen allerdings recht gegen, dass sie an ihrer Erstligareife noch arbeiten müssen. Ich mach mir dabei aber keine Sorgen.

Haaretz: Insgesamt hat ihr Team hoffnungsvolle Talente hinter den Stammspielern. Shakel, Attoa, Dienesman, Maaad, Lencinski, Adler und Ussishkin, um nur mal die israelischen davon zu nennen. Wie bewerten sie deren Chance, bald die Nummer eins im Verein auf ihrer Position zu sein?

Meyer: Die Chancen stehen für die meisten gar nicht so schlecht. Es liegt letztlich aber an jedem Spieler selber, ob er sein Potenzial abzurufen und umzusetzen vermag. Wir tun jedenfalls alles, damit diese Talente die Stars von morgen werden.

Haaretz: Kommen wir mal auf die Vorwürfe ihres letzten Gegners, Christoph Kuhlmann. Er warf ihnen vor mit ihrer Mannschaft massives Understatement zu betreiben und ihre Mannschaft künstlich schwach zu reden, was sie gar nicht sei und man als Trottel dastehe, wenn man dann gegen ihr Team verliert. Traf sie die Kritik hart und würden sie Kuhlmann Recht geben?

Meyer: Auf jeden Fall war ich doch ziemlich überrascht ob der harschen Kritik. Nur weil es uns gelungen ist, ein paar Verstärkungen an Land zu ziehen, muss doch nicht gleich das Konzept und das Ziel auf den Kopf gestellt werden. Es hätte jeder auf diese Spieler mitbieten können. Auch ein Herr Kuhlmann. Wir hatten einfach das Glück, dass wir diese Spieler, die allesamt auf der Transferliste standen, von uns überzeugen konnten. Und das dann gleich wild von allen Seiten über die finanzielle Lage spekuliert wird, von wegen ich müsse nur die Schatulle öffnen... *schüttelt den Kopf* Nur so viel: ich habe in den drei Saisons 07/08 - 09/10 insgesamt rund 4 Mio. erwirtschaftet. Und bei einem Kontostand von 7 Mio. als Aufsteiger muss man sich schon genau überlegen, wie man sich sinnvoll verstärken kann. Auch gerade im Hinblick darauf, dass am Ende der Saison wieder ein Gewinn bei rauskommen soll. Und das man trotz eines stärkeren Kaders keine Gewinngarantie hat, sollte spätestens in dieser Saison jedem klargeworden sein. Dann wäre Hepoel Haifa in der Spitzengruppe mit dabei.

Haaretz: Was sind denn nun generell ihre Saisonziele? Es wird ja schon mehr geben als den Klassenerhalt, oder?

Meyer: Jetzt wollen Sie mich aber aus der Reserve locken, Herr Gasteigermann! *lacht* Momentan sieht alles danach aus, als hätten wir mit dem Abstieg nichts zu tun. Dennoch warne ich vor zu früher Euphorie. Allerdings wäre ich mit einem einstelligen Tabellenplatz schon sehr zufrieden. Wenn zur Winterpause immer noch eine realistische Chance besteht, versuchen wir dann Platz 6 anzugreifen.


Haaretz: Sie kamen in einem Jahr in der Ligat Al an, in der sich das Machtgefüge verschiebt. Hecoach Ramat Gan spielt bisher erstaunlich gut mit und Hepoel Haifa stürzt ins Mittelfeld der Tabelle ab. Wie bewerten sie Israels Eliteliga?

Meyer: Ich denke, hieran lässt sich ablesen, wie dicht die Liga zusammenrückt. Die "Kleinen" holen auf und man darf sich als Klassenprimus nicht auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausruhen. Man kann es ja auch an der Gesamtzahl der Topspieler sehen, die nach Israel geholt werden. Nicht umsonst ist dies die stärkste Ligat Al, seitdem ich in Israel tätig bin. Mich freut diese Entwicklung, denn das bedeutet auch, dass sich die Spieler hier noch weiter entwickeln können. Und eventuell profitieren auch wir dann mal davon, sollte ein weiterer internationaler Startplatz dabei herausspringen.

Haaretz: Schauen sie sich auch noch die Tabelle der zweiten Liga an? Wen sehen sie da am Ende in der Ligat Al?

Meyer: Gelegentlich werfe ich auch noch einen Blick auf die Zweitligatabelle. Momentan scheinen die ersten beiden Plätze ja bereits vergeben zu sein. Also wird noch ein dritter Aufsteiger gesucht. Ob es für Hepoel Ra'anana reichen wird, wage ich aber zu bezweifeln.

Haaretz: Was wünschen sie sich persönlich für ihren Verein, für Israel und für FMO?

Meyer: Für meinen Verein wünsche ich mir eine restliche verletzungsfreie Saison und dass meine Spieler ihr Potenzial abrufen um sich zu verbessern. Langfristig würde ich gerne am internationalen Wettbewerb teilnehmen. Für Israel wäre es enorm wichtig, eben diesen zusätzlichen Startplatz zu bekommen. Dies wird verstärkt dann gelingen, wenn sich mehr engagierte Trainer einen der freien Vereine als langfristige Aufgabe vornehmen.
Vom FMO-Verband wünsche ich mir, dass sie ihr Engagement aufrecht erhalten und punktuelle Verbesserungen sinnvoll in das bestehende System integriert werden.

Das Training ist offensichtlich beendet und die Spieler kommen ins Vereinsheim. Meyer deutet an, er müsse gehen und mit den Spielern sprechen. Eine letzte Frage aber wollte ich noch stellen.

Haaretz: Herr Meyer, der Präsident bittet sie schon seit geraumer Zeit ihren Vertrag, den sie erst im Frühjahr um ein Jahr bis zum 30.06.2011 verlängerten, um mindestens zwei Jahre zu verlängern. Wann kann man mit einer Unterschrift rechnen?

Meyer: Oh, jetzt war ich gerade schon in Gedanken beim Trainingsplan für morgen. Wie war die Frage nochmal?

Bardame: Ihre Vertragsverlängerung, Herr Meyer.

Meyer: Achso das. Hmm. Also dieses Jahr wird das wohl nichts mehr. Ich denke, frühestens im nächsten Jahr. Sprechen Sie mich doch dann nochmal an. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag und eine gute Heimfahrt. Ich muss jetzt wirklich los.

Haaretz: Wir danken ihnen für das Gespräch, Herr Meyer!

Ich schlürfe meinen Kaffee aus und verlasse das Vereinsheim. Auf dem Parkplatz steht zwischen den ganzen Autos steht ein rostiger Cadillac in himmelblau. Am Heck prangt ein Aufkleber. "Ich bremse auch für Iliter Löwen, bitch!". Er sieht neu aus und scheint keinem der Spieler zu gehören.

Robert Gasteiger am Freitag, den 14.01.2011

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